Es ist allgemein bekannt, dass wir in der Hotellerie und Gastronomie einen extremen Mangel an Auszubildenden und daraus resultierend, Fachkräften haben. Jeder geht in seiner Freizeit gern aus, besucht ein schickes Restaurant, trifft sich mit Kumpels in einer Bar oder gönnt sich für einen Kurztrip ein schönes Hotel. Natürlich wird dafür Geld in die Hand genommen und dann auch guter Service erwartet. Doch wer soll dafür sorgen, dass die Erwartungen erfüllt werden, wenn die Berufe, die dafür verantwortlich sind, niemand mehr machen möchte? Doch was würde dies vielleicht ändern, was wäre die Ausbildung in Hotel und Gastronomie 2.0?
Ich arbeite nun seit 12 Jahren in der Gastronomie und habe einen stetigen Wandel miterlebt. Ich war Auszubildender, Facharbeiter, Abteilungsleiter und bin nun im Management sowie auch stolzer Besitzer eines Ausbilderscheins der IHK. Ich denke, dass der Aspekt der Generationen und der damit einhergehende Wandel, der potenziellen Mitarbeiter sowie natürlich auch der Kunden, eine essenzielle Rolle spielt, die viel zu wenig bei der Ausbildung in Betracht gezogen wird. Weiterhin denke ich, dass wir in der Berufsausbildung zum einen schulisch, aber zum anderen auch innerbetrieblich umdenken müssen. Die Ausbildung in der Hotellerie sollte anspruchsvoller, komplexer und zukunftsorientierter werden. Es muss eine Zukunft mit der Ausbildung und dem Beruf in Aussicht gestellt werden die, die jeweilige aktuelle Generation anspricht. Außerdem sollte irgendwie, das Bild des Hoteliers und Gastronom gesellschaftlich wieder mehr glorifiziert werden.
Ich erinnere mich noch ziemlich genau an die Zeit als ich 15/16 Jahre alt war und es bei mir darum ging, was ich nach der Schule machen sollte. Es war die Zeit der Kochsendungen, überall im Vorabendprogramm und sogar zur Primetime. Die „Rock’n‘ Roll Köche“ erhielten Einzug in die Medien. Nicht nur das Handwerk revolutionierte sich, in gewisser Maßen dank einiger weniger, die anders waren, sondern auch diejenigen, die es ausübten als sie aus der Küche hervor ins Scheinwerferlicht traten. Plötzlich war der straffe Küchen-Jargon salonfähig, das Bild vom Badboy in der Küche wurde in die Gesellschaft getragen, akzeptiert, und beeinflusste einen ganzen Schwung von Küchenauszubildenden. Obwohl vielen zu dieser Zeit bewusst war, dass mediale Erfolge wie bei Mälzer, Henssler, Raue, Plogstedt, Schweiger, Poletto, Trettl, Rosin und wie sie alle heißen, lediglich einigen wenigen unter Tausenden gelingen, zeigten die Spitzenköche was möglich war mit dem gelernten Handwerk. Auch wenn das Feuer mittlerweile erloschen und wir ebenso wieder bei den Köchen einen akuten Fachkräftemangel zu verzeichnen haben, kenne ich noch heute einige Leute, die sich damals aufgrund dieses Hypes für den Beruf entschieden haben und dabei geblieben sind. Leider habe ich so etwas nie für die andere Seite des Küchenpasses, also für den Service oder die Bar erlebt. Natürlich ist es auch sehr schwierig den Beruf des Kellners, oder Bartenders alltagstauglich medial zu vermarkten. Wer stellt sich schon an seine Hausbar anstatt an seinen Herd und probiert den Cocktail, den er gerade im TV gezeigt bekommen hat. Kochen ist einfach essenzieller, aufwendiger, zeitfüllender und massentauglicher. Darum liegt es bei den Ausbildenden die Zukunft, welche man erreichen kann zu zeigen und darauf vorzubereiten.
Beim Thema Ausbildung geht es darum zu verstehen, dass wir nicht mehr in der Vergangenheit leben. Ich sage ja auch gerne mal: „Sei nicht so weich, ich musste da früher auch durch. Lehrjahre sind keine Herrenjahre.” Ja, das sehe ich auch heute noch so, klare Ansagen, Hierarchien und Respekt sind nötig und essenziell, um Menschen etwas beizubringen. Ich habe aber selbst mitbekommen, dass das wichtigste für die aktuelle Generation Auszubildender, die Selbstbestimmung und die „Work-Life-Balance“ ist. Nun liebe Auszubildenden, mit der Selbstbestimmung ist das so eine Sache, natürlich gibt es immer verschiedene Wege, die zum Ziel führen, aber manche Dinge müssen eben einfach getan werden, auch wenn sie gerade keinen Spaß machen. Dass die Ausbildung aber Spaß macht und sehr viel Positives mit sich bringt, habe ich bereits in einem anderen Artikel geschrieben. ( warum-eine-ausbildung-in-der-hotellerie-so-wertvoll-ist-jedoch-wohl-uberlegt-sein-sollte ) ich gebe allerdings zu, dass die berufliche Ausbildung im Unternehmen manchmal ziemlich eintönig sein kann. Ich denke, hierbei ist das Problem, dass sich zum einen zu wenig Zeit für die Auszubildenden genommen wird und zum anderen, sie wirklich manchmal als günstigere Mitarbeiter gesehen werden. Wie ich sagte, es muss auch innerbetrieblich eine Balance gefunden werden den Azubi bei der Stange zu halten. Wie soll ein junger Mensch motiviert bleiben, wenn er Monate lang wie ein Roboter immer wieder dieselben Arbeiten verrichtet, im Frühstücksservice verrottet, putzt, nur Bankett-Räume vorbereitet, oder selbst nur an der Rezeption steht? Sicher, all diese Arbeiten müssen gemacht werden und gehören dazu, es muss aber ebenso vermittelt werden, dass es noch eine andere Zukunft gibt. Es muss darum gehen, dass man sich entweder damit anfreunden kann diese Arbeiten gern zu tun, um Geld zu verdienen, oder diese Arbeiten jetzt macht, um sie später nicht mehr machen zu müssen. Azubis müssen auch Einblicke in das Management der einzelnen Bereiche bekommen. Nur wer seine Möglichkeiten kennt, kann Ziele entwickeln, nach etwas Höherem streben und anfangen, darauf hinzuarbeiten. Ich denke, ein „Management-Shadow“ pro Abteilung sollte ein fester Bestandteil des Durchlaufs sein.
Die Zukunft, die man erreichen kann und der Anspruch der Generationen an ihr Leben, bringen mich zu den Inhalten der Ausbildung. Grundlegend muss die Ausbildung anspruchsvoller werden, wir müssen weg von dieser alten Redewendung: „Wer nichts wird, wird Wirt.“ Ich denke, es sollte ein größerer Fokus auf die optionale zukünftige Selbstständigkeit gelegt werden. Denn ein erfolgreicher „Wirt zu sein“, ist gar nicht so einfach wie es die Redewendung impliziert. Allerdings ist der Besitz eines eigenen Restaurants oder sogar Hotels eine Zukunftsmusik, die Erfolg, Selbstbestimmung und Flexibilität verspricht, also eigentlich ja ziemlich genau das, wonach die jetzige Generation von Azubis strebt. Genau diese Skills sollen mindestens die gleiche Gewichtung haben wie die Ausbildung in Küche und im Service. Wobei sich in der Schule auf die Theorie bezogen werden sollte, denn die Praxis liegt in der Verantwortung der Unternehmen. Im Allgemeinen sollte die Berufsschule intensiv auf die Betriebswirtschaftslehre, Marketing und Unternehmensgründung fokussieren sowie eher einen theoretischen Querschnitt in eben die gastronomischen Berufe geben, die man eigentlich nicht lernt. Warum? Weil man den Beruf, den man lernt, im Unternehmen praktisch lernt, und auch theoretisch lernen sollte. Werden die Unternehmen mehr in die Verantwortung gezogen, die prüfungsrelevanten Ausbildungsinhalte zu vermitteln, sind sie gezwungen ihre Ausbilder zu schulen, ihnen Zeit für die innerbetriebliche Ausbildung zu geben und eben auch die Auszubildenden von Zeit zu Zeit aus dem Arbeitsalltag zu nehmen und innerhalb des Betriebes auf die „Schulbank zu setzen“, um die Dinge aus erster Hand zu lernen. Kontinuierliche Azubitrainings via Abteilungsleiter sollten in meinen Augen in jedem Ausbildungsbetrieb Pflicht sein. Ein weiterer positiver Nebeneffekt wäre, dass man durch eine zweigeteilte Zwischen- und Abschlussprüfung (geteilt in dem Sinne, dass man die im Unternehmen vermittelten Inhalte prüft und eben separat die in der Schule gelernten) ganz einfach Rückschlüsse auf die Qualität der innerbetrieblichen Ausbildung ziehen kann und die Unternehmen wiederum in die Pflicht nimmt, quasi auch für sie, also die Unternehmen, eine Ausbildung 2.0. Doch dazu müssen die großen Player den Anfang machen und Investitionen in die Umstrukturierung der Ausbildung innerbetrieblich wagen. Hierbei ist außerdem eine Zusammenarbeit mit der IHK und dem Staat von Nöten, denn diese Änderungen wären mit hohen Kosten verbunden. Ich denke, dass mein Ansatz zur Umgestaltung der innerbetrieblichen Ausbildung von Staat und der IHK subventioniert werden sollte, um den Druck von den Unternehmen zu nehmen, diese Mehrkosten erwirtschaften zu müssen.
Hier habe ich gleich wieder einen meiner ehemaligen Ausbilder im Ohr, der sich immer beschwerte: „Die Azubis wollen alle nicht mehr arbeiten, jeder will nur noch managen und den Leuten sagen, was sie zu tun haben. Dabei vergessen aber immer alle, dass die Arbeit auch irgendwer machen muss.“ Und das ist völlig korrekt. Mit einer Ausbildung, die darauf ausgelegt ist zu managen oder selbstständig zu werden, wird ein Ziel in Aussicht- und die Weichen dorthin gestellt. Auf dem Weg dahin wird es Leute geben, die ihre Berufung in dem, was sie tun, bzw. in einem Angestelltenverhältnis finden. Die vielleicht nicht die Verantwortung eines Managers tragen möchten, möglicherweise einfach gern servieren oder bartenden während sie reisen oder nebenbei noch etwas ganz anderes machen und so, die klassischen Vorzüge der Ausbildung in Hotel und Gastronomie schätzen lernen. Klar ist, dass der Weg zum Management oder zur Selbstständigkeit durch die Ausbildung und durch die Hierarchien der Hotellerie und Gastronomie führt. Ein großer Reiz der Branche ist die Flexibilität und die Ungebundenheit an Städte oder gar Länder, man kann eigentlich so ziemlich überall arbeiten. Wer in der Hotellerie und Gastronomie erfolgreich sein möchte, braucht Erfahrung und einen weiten Horizont. Diesen gibt es nun einmal, wenn man weiterzieht, sobald es Zeit ist und bevor man stehen bleibt. Ein gesunder Durchlauf von Mitarbeitern ist gut für Unternehmen. Unsere Branche ist in ständiger Bewegung, so sind es auch unsere derzeitigen und zukünftigen Mitarbeiter. Wenn die Ausbildung so attraktiv gestaltet werden kann, dass wir unsere Stärken spielen können und somit einen stetigen Fluss von neuen, guten Leuten gewährleisten, wird die Gastronomie endlich aus der Depression kommen.
Das Thema „Work-Life-Balance“ ist ein Thema, welches nun auch schon seit geraumer Zeit diskutiert wird, da es keinen Sinn machen würde, dieses nur in der Ausbildung anzugehen, beziehe ich mich hier einmal auf die Hotellerie und Gastronomie im Gesamten. Ich stimme den vielen anderen zu, dass neue Arbeitszeit-Modelle, wie die 4-Tage-Woche mit einem 10 Stunden-Tag oder sogar der 6-Stunden-Tag bei einer generellen 30 Stunden Woche in der Gastronomie ein Schritt in die richtige Richtung wären. Ich persönlich bin ein Verfechter des zweiten Models ohne Gehaltseinbußen. Natürlich würde dies den generellen Stundenlohn erhöhen, der zwar immer noch zu niedrig wäre, um das „Life“ in der „Work-Life-Balance“ wirklich finanzieren zu können, aber es wäre ein Anfang. Denn der jetzigen Generation ist Zeit zur freien Verfügung viel wichtiger und auch viel mehr wert. Es wird im Hier und Jetzt gelebt und nicht mehr spießig 25 Jahre im selben Beruf für das Haus, das schöne Auto oder die Rente gespart – Flexibilität und Freiheit sind die Schlagwörter. Ich denke, ein genereller 6 Stunden Tag in Verbindung mit flexiblen Dienstplänen wäre ein guter Anfang, um unseren Beruf mit dieser Freiheit verbinden zu können. Natürlich sehe ich auch die Herausforderungen aus Unternehmenssicht. Es würde mehr Personal bei gleichem Gehalt benötigt werden, dadurch würde die sowieso schon größte Kostenstelle in jedem P&L noch größer werden und der Profit am Ende schrumpfen. Ich möchte auch keinesfalls, dass Überstunden verboten werden, wenn sie nötig sind, sind sie nötig, dafür werden die Arbeitszeiten am Ende doch manchmal von den Gästen diktiert. Sie sollte jedoch grundsätzlich keine Normalität sein. Dennoch denke ich, jeder sollte trotz „Work-Life-Balance“ die Möglichkeit haben, mehr zu arbeiten oder das Unternehmen über die normale Wochenarbeitszeit hinaus unterstützen können, wenn er möchte. Die Überstunden müssen dann am Ende als Freizeit oder eben mit einem Zuschlag ausbezahlt werden. Diese Entscheidung sollte allerdings dem Mitarbeiter überlassen werden. Es läuft am Ende doch immer darauf hinaus, dass sich die Gehaltsstruktur und Arbeitszeit ändern muss. Dies muss allerdings in den Unternehmen anfangen. Ich denke, dass die Unternehmen, welche mutig genug sind, die Profiteinbußen durch die erhöhten Personal- und Ausbildungskosten erst einmal zu schlucken, langfristig einen größeren Pool für mögliche Mitarbeiter bekommen, zufriedenere und motiviertere Angestellte haben werden, dadurch die Qualität ihres Produkts erhöhen und am Ende ein wirklich gutes „Return of Investment“ erleben werden.
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